Gute Miene zum bösen Spiel

Löse dich von deinen Eltern.

 

Ich fange einfach mal an von mir zu erzählen, obwohl ich beobachte, dass dieses Phänomen sehr weit verbreitet ist und zu viel Kampf und Leid im Leben führen kann.
Es geht in dem heutigen Artikel um Beziehungen. Beziehungen zum Partner, zu Kollegen, Freunden, und auch zu den eigenen Kindern, wenn welche vorhanden sind.
Ich habe bei mir selber und auch bei einigen anderen Menschen beobachtet, dass Beziehungsprobleme unterschiedlichster Heftigkeit und Ausprägung unmittelbar mit dem Verhältnis zu den eigenen Eltern verknüpft sind.
Nicht nur durch die Prägung im Kleinkindesalter, sondern auch und in besonderem Maße durch die Phase des Erwachsenwerdens.
Ich bin mit dem 18. Lebensjahr nicht wirklich erwachsen geworden. Ich bin in Gegenwart meiner Eltern immer wieder in die Rolle des kleinen Jungen geschlüpft, war von der Anerkennung und dem Wohlwollen meiner Eltern abhängig. Ich bin mit 19 Jahren zwar aus meinem Elternhaus ausgezogen und mit 20 das erste Mal selber Vater geworden, ich war aber dennoch nicht unabhängig von meinen Eltern.
Schon alleine die Entscheidung aus Norddeutschland 700 Km Richtung Süden umzuziehen, war aus meiner damaligen Sicht zwar meine freie Entscheidung, inzwischen sehe ich es aber als eine getriebene Entscheidung, die darauf beruhte, so viel Distanz wie möglich zu den Eltern aufzubauen.
Eine räumliche Distanz, die nichts an der emotionalen Verstrickung mit den Eltern änderte.

Ich habe meinen Eltern den Rücken zugewandt und eine rebellische Antihaltung entwickelt. Alles, nur nicht so werden wie die eigenen Eltern.
Das ist keine Freiheit, wenn alle Entscheidungen einen Bezug zu den Eltern haben. Genauso, wie es nicht frei ist, allen Erwartungen zu entsprechen, ist es unfrei, allen Erwartungen zu widersprechen.
Die eigenen Bedürfnisse und das Bauchgefühl sind dann nicht Grundlage der Entscheidungen, sondern externe Verstrickungen.
Ich habe mich von meiner Mutter kontrolliert gefühlt und wollte verhindern, dass sie sich in mein Leben einmischt.
Da ich aber die Verantwortung für die Einmischung und Kontrolle durch Schuldzuweisung meiner Mutter angelastet hatte, habe ich nicht eigenverantwortlich handeln können.
Ich konnte aus meiner damaligen Sicht ja nichts dafür, dass ich eine kontrollierende Mutter habe…
Inzwischen ist mir klar, dass ich diese Einmischung und Kontrolle zugelassen habe und selber entscheiden kann, ob ich mich dadurch beeinflussen lasse, oder eben nicht.

Im Windschatten der Eltern

So lange ich aber der Anerkennung und Zuwendung meiner Eltern nachrenne, deren ich vermeintlich nicht genug bekommen habe, bin ich abhängig von ihnen und lasse mich beeinflussen. Ich bin nicht authentisch und verbiege mich, um es ihnen recht zu machen.
Ich habe für mich eine Möglichkeit entdeckt, meinen Eltern zu verzeihen, zu erkennen und – ganz wichtig – auch zu fühlen, dass sie immer ihr Bestes gegeben haben. Auch wenn ich es nicht als das Beste wahrnehmen konnte, ist es dennoch das Beste gewesen, was sie nach ihren Möglichkeiten geben konnten.
Sicher hatten sie auch ähnliche Verstrickungen mit ihren eigenen Eltern und konnten sich eventuell nicht von ihren eigenen Eltern lösen. Die emotionale Abhängigkeit löst sich auch mit dem Ableben der Eltern nicht auf. Es ist ein Phänomen, das nur in unserem Kopf und in unserer Gefühlswelt existiert. Aus diesem Grund brauchen wir unsere Eltern auch nicht für den Loslösungsprozess. Wir können ihn selber für uns vollziehen und uns mit ihnen versöhnen. Letztendlich ist es wichtig ein versöhnliches Bild von seinen Eltern zu entwickeln, und uns somit beim Gedanken an sie, gut zu fühlen.

Übergehen wir dies und klären das Verhältnis und die Vorwürfe zu unseren Eltern nicht, dann bauen wir ähnliche Abhängigkeiten und Konflikte zu Stellvertretern auf. Gerne genommen ist der Partner – und in meinem Fall: meine Frau.
Ich konnte meiner Mutter nie entgegentreten und für meine Belange einstehen oder ihr gegenüber meine Meinung vertreten. Kurz gesagt, ich habe eine Rolle gespielt, eine Maske getragen und Widerspruch runtergeschluckt, dadurch meine Bedürfnisse nur im Geheimen gelebt.
Ähnliche Muster haben sich dadurch auch in meiner Ehe eingeschlichen, was automatisch irgendwann zu einer massiven Beziehungskrise führte. Wenn ich dann noch berücksichtige, dass meine Frau auch ihre Päckchen mit ihren Eltern in unsere Beziehung trägt, ist das Chaos in der Beziehung perfekt.
Auf sachlicher Eben ist auch schwer eine Lösung zu finden, weil die Ursachen der Konflikte nicht in der Beziehung zueinander lokalisierbar sind.
Solche Dinge werden dann ganz deutlich sichtbar, wenn ich meine Kinder betrachte, und weil sie uns Eltern als Vorbild haben, verzapfen sie den selben Blödsinn wie wir Eltern.

Nur dadurch, dass ich die Beziehung zu meinen Eltern aufarbeiten und klären konnte, hat sich in Dingen der eigenen Beziehung viel getan. Was mich besonders freut, ist, dass dadurch hoffentlich der Teufelskreis durchbrochen wird, der sonst meine Kinder die Probleme der Eltern und Großeltern austragen lassen würde.

Ich denke, dass Probleme, besonders die zwischenmenschlichen, von Generation zu Generation weitergegeben werden. So lange, bis sie gelöst werden. Wenn die tatsächliche Urheberschaft erkannt wird, kann Veränderung stattfinden, und die nachfolgenden Generationen können sich mit nach vorne gerichteten Problemen befassen, statt nach hinten zu schauen und die Suppe der Vorfahren auszulöffeln.

Zurück zum Ursprung

Ich habe mittlerweile Gespräche mit vielen Menschen geführt, die Eheprobleme haben, Probleme mit hierarchischer Einordnung bei einem Arbeitgeber, oder die sich im sozialen Umfeld nicht akzeptiert fühlen.
Bisher waren die Probleme alle ohne Ausnahme auf eine Beziehungsproblematik mit den Eltern zurückzuführen.

Erst wenn ich meine Eltern annehmen kann, wie sie sind – ich bin schließlich nie ihn ihren Schuhen durchs Leben gelaufen –, kann ich mich aus der Abhängigkeit und Schuldzuweisung von ihnen lösen und Frieden schließen.
Das ermöglicht mir, Eigenverantwortung zu übernehmen und endlich erwachsen zu werden.
Das hat bei mir fast 40 Jahre gedauert. Aber besser spät als gar nicht.

Wenn dann noch die drei Säulen, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstwert gestärkt werden, dann lebt es sich gleich viel freier.
Es ist nicht gesagt, dass dich auf einmal alle toll finden und mögen, aber es fühlt sich viel besser an, von wenigen dafür gemocht zu werden, wer du wirklich bist, als wenn du von vielen gemocht wird, für das, was du darstellst.

Eine Wunderpille gibt es für das Problem leider nicht, aber es gibt Wege, eine Lösung herbeizuführen. Einen dieser Wege habe ich für mich entdeckt.

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