Selbstwerthierarchie

Warum begeben wir uns in Abhängigkeit zu Menschen, denen wir einen höheren Wert beimessen, als uns selber. Also zum Beispiel sehr attraktiven Menschen, Politikern, Erfolgreichen Menschen und prominenten Menschen?

 

Hmm. Erst einmal stellt sich die Frage, sind diese Menschen tatsächlich wertvoller oder besser als wir?

Wir sehen nur eine einzelne Eigenschaft, und dichten diesen Menschen viele weitere positive Eigenschaften zu.

Wir sehen nur die Fassade. Und die Fassade auch nur von der Kleinen Spitze des Eisberges, der für uns sichtbar wird.

Wir sind keinen einzelnen Schritt in den Schuhen der anderen Person gegangen, sehen nur einen winzigen aufpolierten Ausschnitt und vergleichen diesen mit unserem manchmal nicht ganz so spektakulären Alltag.

Dass dieser Vergleich hinkt, wird uns nur bei nüchterner Betrachtung klar. Das mangelhafte Gefühl dieses Vergleiches, den wir anstellen bleibt aber und zieht unseren Selbstwert herunter.

 

Was aber bringt uns in die Abhängigkeit, Bedürftigkeit und unterordnung zu solchen in Anführungszeichen wichtigen oder tollen Menschen?

 

Wir wollen die Anerkennung von ihnen, dass wir auch wertvoll sind. Wir wollen gesehen werden und wertgeschätzt werden. Wenn wir zum Beispiel einer sehr schönen Frau, oder auch einem sehr attraktiven Mann begegnen, verstellen wir uns und wollen unser Gegenüber beeindrucken.

Wir machen unser Selbstwertgefühl von der Aufmerksamkeit dieser Person abhängig und sind in dem Moment nicht mehr wir selbst. Wie spielen eine Rolle, sind bedürftig, nicht authentisch und machen uns im Grunde lächerlich. Da wir nicht authentisch sind, haben wir kaum Ausstrahlung und werden dadurch nicht gesehen.
Also genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich erreichen wollen.

 

So lange wir der Meinung sind einen Mangel an Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu haben, verbiegen wir uns, um diesen Mangel von anderen Menschen kompensiert zu bekommen.
Manchmal funktioniert es für einen kurzen Augenblick, meistens aber nicht. Da es nur eine Kompensation ist, wird es das Grundproblem auch nicht lösen, sondern nur ein Symptom notdürftig lindern.

 

Um dem Dilemma zu entkommen sollten wir uns innere Referenzen aufbauen, mit denen wir uns vergleichen. Eigene Leistungen und Entwicklungen als Bezugspunkt, um sich nicht mit anderen Menschen zu vergleichen, und diese mangels eines ganzen Bildes, über sich zu stellen.

 

Wenn diese Disziplin gemeistert wird, sind dinge wie Ansprechangst, Angst vor Vorgesetzten und unterwürfiges Verhalten ein Relikt unserer Vergangenheit.

Nebenbei erhöht es in unvorstellbarem Ausmaß unsere Beziehungsfähigkeit.

Es wirkt auch der verdammt problematischen emotionalen Abhängigkeit entgegen.

 

Sobald wir niemanden mehr über uns stellen, stehen wir selber an erster Stelle. Sobald wir nicht mehr anderen folgen und ihnen nacheifern, bekommen wir unsere eigene Gefolgschaft, ob wir das wollen, oder auch nicht. Durch das heraustreten aus der Hierarchie machen wir uns selber zum  Anführer. Zumindest übernehmen wir unsere emotionale Führerschaft.

Emotionale Abhängigkeit

Wie entsteht eine emotionale Abhängigkeit und in welcher Form beeinflusst diese dann mein Leben?

Als erstes gilt es, emotionale Abhängigkeiten zu erkennen, um ihnen etwas entgegensetzen zu können. Das ist der erste wichtige Schritt in Richtung Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben.
Emotionale Abhängigkeiten machen sich in zwischenmenschlichen Beziehungen bemerkbar, und das nicht gerade positiv. Immer wenn wir das Gefühl haben, zu wenig von etwas von unserem Gegenüber zu bekommen, also einen Mangel wahrnehmen, können wir ziemlich sicher sein, etwas entdeckt zu haben.

Es sind Gefühle von fehlender Wertschätzung, mangelnder Aufmerksamkeit, Respektlosigkeit oder andere negative Gefühle, die uns ereilen.
Den Auslöser für das Gefühl suchen wir oftmals im Außen und geben unseren Mitmenschen die Schuld daran, dass wir uns schlecht fühlen.

Praktisch – aber leider nur kurzfristig eine gute Entscheidung. Auf lange Sicht werden wir diese Gefühle damit nicht aufarbeiten, geschweige denn diese identifizieren, um den Ursprung zu erkennen und sie ihrer Grundlage zu berauben.

Es sind Gefühle, die wir in unserer Kindheit gefühlt haben, wo wir uns der Situation gegenüber machtlos gegenüber gesehen haben oder, nur mit einem begrenzten Handlungsrahmen ausgestattet, versucht haben, einen etwaigen Mangel zu kompensieren oder Schmerz zu lindern.

Das Automatik-Getriebe im Gemüt

Diese Strategien haben wir als Erwachsene in unserem Leben so oft angewandt, dass sie zu Gewohnheiten geworden sind.
Also wenn wir mit einer Situation konfrontiert werden, die unser Unterbewusstsein mit solch einer in der Kindheit erlebten Situation assoziiert, dann schalten wir quasi auf Autopilot. Der Autopilot übernimmt und spult ein gespeichertes Programm ab. Durch dieses Programm nehmen wir Sinneseindrücke mit der damaligen Perspektive war und versuchen mit den gespeicherten Handlungsmustern eine Lösung zu schaffen.

Die Handlungsmuster sind aber in der Welt der Erwachsenen nicht mehr angebracht und machen die Situation nicht besser. Eher schlimmer.
Durch die Interaktion mit anderen Menschen findet ein Aufschaukeln statt. Durch mein kindliches Verhalten wird in meinem Gegenüber oftmals auch das innere Kind angesprochen.

Wenn sich dann zwei Menschen gegenüberstehen und sich gegenseitig mit Handlungsmustern begegnen, die einem Erwachsenen nicht gerecht werden, kann sich die Situation nicht klären oder beruhigen.
In dem Moment sind wir für rationale Informationsverarbeitung nicht offen.
Wir fühlen uns verletzt und verletzen zurück, um uns zu verteidigen.

Eine emotionale Abhängigkeit baut sich leicht in einer Partnerschaft oder einem Arbeitsverhältnis auf. Die Dinge, die wir von unseren Eltern meinen nicht ausreichend bekommen zu haben, erwarten wir von unserem Partner, unseren Vorgesetzten, oder Kollegen.

Das muss nicht einmal bewusst stattfinden. Wir erwarten die Anerkennung vom Chef, die Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Zuwendung von unserem Partner.

Da wir der Meinung sind, dort einen Mangel zu haben, und denken, dass andere dafür verantwortlich sind, diesen Mangel auszugleichen, machen wir uns emotional von unseren Mitmenschen abhängig.

Diesen wahrgenommenen Mangel gilt es zu identifizieren und mit erwachsenen Lösungsansätzen zu beseitigen.

Solange wir uns nicht von solchen Abhängigkeiten lösen, ist unser Gefühlsleben immer vom Außen abhängig. Wir haben keine Kontrolle darüber, wie unsere mentale Verfassung ist. Wir geben die Macht über unsere Gefühle anderen Menschen in die Hand.

Leben am Abgrund

Natürlich handelt es sich nur im übertragenen Sinne um einen Abgrund. Der kann jedoch sehr tief erscheinen.
Ich spreche von Entscheidungen an den großen Wegscheiden des Lebens. Wenn es etwas Großes im Leben zu entscheiden gibt, dann ja häufig nicht eine einzelne Entscheidung, sondern einige weitere, die in Bezug aufeinander gefällt werden wollen.

Wegscheiden

Geht es um berufliche Veränderung, stehen oftmals auch Fragen der Beziehung mit im Raum, oder umgekehrt. Es fühlt sich dann so an, als würden wir an einem Abgrund stehen und den Absprung in das tiefer sichtbare Wasser nicht wagen.
Es ist ein Sprung ins Unbekannte. Es verursacht Unbehagen in uns, da wir nicht wissen, was auf uns zukommt, wenn wir den Absprung wagen. Gleichzeitig verspüren wir aber auch ein großes Verlangen, den Sprung zu wagen und die neuen Möglichkeiten zu erkunden.
Es ist ein Balanceakt: immer schön am Rande der Klippe entlang.
Dieser Balanceakt kostet uns viel Energie und Zeit. Je länger er anhält, umso schwieriger wird es.
Es ist ein Raum zwischen den Welten. Der Raum zwischen unserem bisherigen Leben und einem möglichen neuen.
Zurück geht es nicht mehr. Sobald wir uns erst einmal an den Rand begeben haben, ist eine Rückkehr zum alten Leben kaum noch vorstellbar.
Die Angst vor dem Neuen, dem Ungewissen, ist aber noch zu groß.
Der Absprung ist im Prinzip unvermeidlich. Es prickelt an manchen Tagen am ganzen Körper.
Das Fatale an der Geschichte ist, dass ein Absprung anscheinend nur ganz oder gar nicht stattfinden kann. Es ist mir zumindest schon oft so ergangen. Wenn ich eine Entscheidung treffe, um eine Baustelle zu schließen, die mich am Voranschreiten hindert, tut sich im selben Augenblick eine neue Baustelle an einer ganz anderen Stelle auf, die die erste Entscheidung wieder in Frage stellt.

Das Ganze ist dann noch begleitet von wirtschaftlichen Zwängen und Verpflichtungen.

Manchmal denke ich, der Abgrund ist gar nicht so tief. Nach jedem Sprung landet man nur einige Meter weiter unten – wie auf einer großen Treppe. Du nimmst Anlauf, springst, machst die Augen zu. Du machst dich auf einen langen Fall mit anschließendem Eintauchen ins kalte Wasser gefasst. Du landest nur einen Bruchteil einer Sekunde später doch wieder auf festem Grund.

Mut zur Lücke

Ich denke, es fehlt der Mut. Der Mut, alle Brücken hinter sich einzureißen, oder das Niederbrennen der Schiffe nach der Landung auf einem neuen Kontinent.

So verweilt der Mensch über Jahre hinweg am Abgrund, zerrissen zwischen Bleiben und Springen.
Also ein Leben am Abgrund. Der Absprung gelingt nur im Tagtraum, in den es sich flüchten lässt.
Ich vermute in meinem nicht mehr ganz so jugendlichen Leichtsinn mal, dass es auch einigen anderen Menschen hier so geht.

Ich habe mit einem guten Freund zusammen einen Weg gefunden, dem Abgrund seinen Schrecken zu nehmen. Ich habe angefangen ein neues Bild zu manifestieren, welches den Abgrund als Tal zwischen zwei Gipfeln erscheinen lässt.
Also kein Abgrund, in den es unendlich tief zu fallen droht, sondern ein Tal, welches durchschritten werden oder mit einem Hilfsmittel wie z.B. einer Seilbahn oder Brücke überwunden werden kann, um den nächsthöheren Gipfel zu erreichen.

Die etwas andere geologische Untersuchung

Um den Weg zum nächsten Gipfel zu wählen, ist es sinnvoll zu wissen, wie tief das Tal ist.
Wie aufwendig ist es, das Tal zu Fuß zu durchschreiten. Wenn das Tal zu tief erscheint, kann es sinnvoll sein, sich Hilfsmitteln zu bedienen. Investieren muss ich aber in jedem Fall.
Den langen Fußmarsch werde ich aus eigener Kraft meistern müssen, und Hilfsmittel muss ich mir auch erarbeiten.
Ein Hilfsmittel kann sein, sich hilfesuchend an einen guten Freund zu wenden. Wenn das Hilfsmittel etwas stabiler sein soll, um mehr Sicherheit zu geben, kann es auch ein Coach sein, der mit mir einen Weg über das Tal erarbeitet.
Oder ich finde Wege, indem ich mir Bücher zum Thema besorge.

Das neue Bild des Tals, auf dem Weg weiter nach oben, nimmt dem Abgrund den Schrecken.
Es verschafft mir auch die Möglichkeit einen Weg zu finden, weil es auf der anderen Seite weiter geht. Im allerschlimmsten Fall muss ich die Talsohle eben mühsam durchschreiten. Es ist aber nicht das Ende der Welt.

Gar nicht so soziale Medien

Wie die sozialen Netzwerke unsere Beziehungsfähigkeit schwächen können

Im ersten Moment erscheint es uns, dass wir durch die Vernetzung per Facebook und Instagram, nur um einmal zwei Beispiele beim Namen zu nennen, mehr Kontakt zu unseren Mitmenschen haben.

Wir haben das Gefühl, am Leben der anderen teilzuhaben und geben selber einen Teil unseres Lebens preis.

Wenn wir uns anschauen, was wir denn selber bei Facebook und Co. von uns preisgeben, dann sind es doch nur die besonderen Momente, die in Bild oder Text nach draußen gegeben werden.

Bilder vom Traumstrand, vom tollen Essen in teuren Restaurants, Partybilder oder Festivalbesuche.

Wir teilen die  Spitze des Eisberges mit unseren Mitmenschen. Unsere Schokoladenseite noch lieber als andere Dinge.

Von unserem eigenen Verhalten können wir darauf schließen, dass unsere Freunde und Bekannten dies auch so handhaben.

Da wir Menschen uns gerne mit anderen Menschen und mit deren Leben vergleichen, kann das zum Problem werden.

Wir nehmen in unserem eigenen Leben den mitunter eher eintönigen oder manchmal auch frustrierenden Alltag wahr.  Allerdings vergleichen wir unsere Leben mit den Höhepunkten aus dem Leben anderer. Dadurch fühlen wir uns dann minderwertig. In unserem Leben glänzt nicht alles und ist perfekt in Pose gesetzt….

Zumindest bei uns nicht. Wenn es Menschen da draußen gibt, wo es tatsächlich so ist: Super! Freut uns für euch.

Aber die Realität der meisten Menschen sieht so aus, dass sich nicht ein Höhepunkt an den nächsten reiht und das Leben nur aus Superlativen besteht.

Warum vergleichen wir uns aber mit diesen Trugbildern anderer Menschen? Ist es nicht viel stärkender, sich mit dem echten Leben zu vergleichen? Als Steigerung vielleicht noch nicht einmal mit dem der Anderen?

Jeder hat seinen eigenen Lebensweg, seine eigenen Begabungen und auch seine eigenen Sorgen.

Wir denken, der Vergleich mit sich selber sollte die häufigste Referenz sein, mit der wir uns vergleichen:

Zum Beispiel: „Wie war ich letztes Jahr? Wie hab ich mich seitdem verändert?“ Das bringt uns weiter und bestärkt uns, uns zu entfalten und zu entwickeln.

Und wenn ihr euch jetzt fragt, was das Ganze mit Beziehungsfähigkeit zu tun hat, dann lest doch einfach weiter.

Der Vergleich mit realistischen Werten, und im besten Fall mit uns selber, stärkt unser Selbstwertgefühl und unser Selbstvertrauen.

Durch ein starkes Selbstwertgefühl nehmen wir viel weniger Dinge, die uns begegnen, persönlich und zum Anlass, uns selber in Frage zu stellen.

Der innere Zweifler wird leiser.

Wir erlangen dadurch die Fähigkeit, authentischer zu werden und dadurch die Menschen anzuziehen, die auch wirklich zu uns passen. Menschen, die uns einfach toll finden, weil wir wir sind.

Die Menschen, die uns nur mögen, weil wir ihnen eine so tolle Fassade zeigen, sind oftmals nicht die, die uns auch ohne die Fassade mögen. Mit diesen Menschen ist eine richtige Beziehung auch nicht wirklich möglich.

Wenn ich meinen eigenen Wert kenne, verfalle ich auch nicht gleich in Eifersuchtsanfälle, weil mein Partner mit anderen Menschen in Kontakt tritt, mit anderen lacht und Spaß hat.

Eifersucht entsteht gerne dann, wenn wir uns als weniger wertvoll empfinden als andere Menschen.

Wenn wir uns nicht als wertvoll empfinden, verspüren wir Neid auf andere Menschen, die Augenscheinlich ein tolleres Leben haben etc.…

Diese Diskrepanz im Wertesystem durch den Vergleich über die Sozialen Medien mit anderen Menschen schwächt unseren Selbstwert und somit unsere Beziehungsfähigkeit.

Eine gut funktionierende Partnerschaft sollte auf Augenhöhe stattfinden. Wenn zwei Menschen sich selbst und einander als wertig empfinden, können sie sich auf Augenhöhe begegnen – ohne Eifersucht oder Kontrollwahn, um die eigenen Unsicherheit zu kompensieren.

Wir denken, mit diesen Gedanken im Hinterkopf und dadurch einem bewussten Umgang mit den sozialen Netzwerken können wir Wege finden, authentisch durchs Leben zu gehen. Auch ohne den Verzicht auf den Kontakt über diese Medien.

Es ist immer eine Frage der eigenen Stabilität, wie groß der Einfluss auf uns ist. Wenn unser Selbstwert mit der Anzahl an Likes eine Berg-und-Talf-Fahrt vollführt, dann ist es an der Zeit, sich Gedanken zu machen und eine Auszeit zu nehmen.

Inzwischen gibt es auch immer mehr Angebote von Menschen, die unterstützend zur Seite stehen können, um mehr Selbstwert und Selbstvertrauen aufzubauen, um sich gegen die Flut an beeinflussenden Informationen besser wappnen zu können.

Eine gesunde Beziehung kann zwischen zwei mental gefestigten Menschen, die ihre Zufriedenheit und ihr Glück nicht von einer Beziehung abhängig machen, am ehesten gedeihen.

Eure Kopfrichter Christian und Aurel