Die kleinen Unwägbarkeiten einer Beziehungskrise…
Bei dem Verständnis in einer Beziehung treffen oftmals völlig unterschiedliche Welten aufeinander.
Es ist fast wie bei einem Experiment, das ich als Kind im Physikunterricht in der Schule durchgeführt habe.
– Nimm drei Schalen mit Wasser. Kalt links, warm rechts und Raumtemperatur in der Mitte.
– Wenn du links und rechts jeweils einen Finger in das Wasser tunkst, eine Weile drin lässt und dann beide Finger in die mittlere Schale steckst, dann fühlt es sich an der linken Hand warm an und an der rechten Hand kalt.
– Beide Hände fühlen eine andere Wahrheit. Das Wasser in der Mitte hat jedoch Raumtemperatur.
Es geht um das Phänomen, dass meine Frau beklagt, dass ich ständig weg bin und so wenig für die Familie da bin.
Meine Sichtweise ist entgegengesetzt. Ich bin der Meinung, dass ich total viel für die Familie da bin und mich einbringe, wo ich kann.
Nach etwas genauerem Hinsehen, das sich fast drei Jahre hingezogen hat, kam mir eine Erkenntnis in den Sinn, die ich mir von meiner Frau bestätigen lassen konnte.
Die Frage lautete nicht, wer recht hat, sondern wer welchen Maßstab anlegt.
Sie hatte einen Vater, der selbstständig war und immer zu Hause gewesen ist. Zumindest am Nachmittag und an den Wochenenden. Also rund um die Uhr Anwesenheit. Das scheint also ihr Maßstab zu sein.
Ich habe einen komplett konträren Maßstab, da ich mich mit der Situation aus meiner Kindheit referenziere. Mein Vater hat das Haus verlassen, als ich noch schlief, und kam nach Hause, wenn ich schon wieder schlief. An Wochenenden hat er auch oft gearbeitet und ich habe eigentlich nur Erinnerungen im Urlaub an ihn. Dort hat er tolle Sachen mit uns gemacht und war mit mir und meinen Geschwistern auf Abenteuertour.
Dagegen sehe meine Situation mit einem 40-Stunden-Job und geregelten Arbeitszeiten, als extreme Anwesenheit zuhause. Ich gehe morgens mit den Kindern gemeinsam aus dem Haus und bin in der Regel um 18:00 Uhr zuhause, zum gemeinsamen Abendessen. Die Wochenenden bin ich auch zuhause, und aufwendige Hobbies, die mich vom Haus fern halten, habe ich auch nicht wirklich.
Somit hatte ich nie Verständnis dafür, dass meine Frau mir vorwarf, dass ich nie da bin. Weil ich im vergleich zu meinem Vater sehr viel da bin.
Ich habe ihr widersprochen und mich zu Unrecht von ihr verurteilt gefühlt.
So haben zwei Menschen auf ein und die selbe Situation eine ganz unterschiedliche Sicht. Jeder sieht die Wahrheit. Aber jeder eben seine eigene, durch den Filter der eigenen Referenz-Erfahrungen.
Euer Kopfrichter Aurel